”Das müssen wir mal prototypen!”, “Lasst uns das mal bauen.”, “Das sollten wir vorher testen.” – Irgendwann kommt der Punkt, an dem man seine Ideen vom reinen Papierkonzept in ein anfassbares und erlebbares Produkt überführen möchte. Je eher dieser Moment eintritt, desto besser.
Ein gut durchdachter Prototyp ist in der Lage reale Reaktionen bei Testern hervorzurufen. Das Ziel eines Prototyps ist die Machbarkeit einer Idee auf drei Ebenen zu klären:
Ich bin der Meinung das Hauptziel des Prototypen sollte es sein, die Idee greifbar und erlebbar zu machen. Man übergibt den Nutzer quasi ein Geschenk und beobachtet ihn dabei, wie er es nutzt.
Um Prototyping gut durchführen zu können, empfiehlt sich oft ein Hinterfragen des eigenen Mindsets. Wir sollten wegkommen davon, die perfekte Lösung entwickeln zu wollen und lieber eine bevorzugen, die gut genug ist. Zudem ist der Prototyp nicht als Langzeit-Lösung zu sehen, vielmehr als temporäre Lösungen die weitere Änderungsschleifen auslösen kann und soll.
Leider erleben wir in unserer täglichen Arbeit und Workshops allzu oft, dass Prototypen als perfekte Langzeit-Lösung gedacht werden, wodurch die ganze Kraft des eigentlichen Ansatzes verloren geht.
Wir können uns bei der Produktentwicklung zwei virtuelle Linien vorstellen. Der erste Meilenstein ist erreicht, wenn das Produkt die Grundfunktion beinhaltet, die getestet werden soll. Sobald dieser Punkt erreicht ist, sollten Nutzer in die ersten Tests einbezogen werden. Unsere Idee ist somit in ein reales und erlebbares Produkt überführt worden, dass gut genug zum Testen ist. Wir ersparen uns wertvolle Zeit und erhalten zudem erste Einsichten, was Nutzer unter dem Angebot verstehen und wie sie es für sich nutzen.
Wir alle kennen es, wie überzeugt man von seiner eigenen Idee sein kann und wie schmerzhaft es wird, wenn diese auf die Realität trifft. Mit der richtigen Geschwindigkeit im Entwicklungsprozess kann man sich vor diesem emotionalen Tief schützen. Teste ich frühstmöglich meine Idee als Prototyp, nehme ich Nutzerreaktionen mit einem hohen Änderungswillen auf. Ich verstehe, dass meine Ursprungsidee am Nutzer vorbeiging und ich nachjustieren muss. Je länger ich an meiner Idee im Verborgenen arbeite, desto geringer wird dieser Wille und ich neige eher zur Perspektive, dass die Nutzer einfach zu inkompetent sind, mein Produkt zu verstehen und zu nutzen.
Beginnen wir das Prototyping mit der Ideenentwicklung, entgehen wir diesem Dilemma und sind offen für Änderungen während des Prozesses.
Sobald klar ist, dass es vorteilhaft seine Idee und Hypothesen frühzeitig zu testen, stellt sich die Frage, wie genau ein Prototyp aussehen kann. Auf die Frage, was genau der perfekte Prototyp ist, gibt es leider keine allgemeingültige Antwort. Zielführend ist es immer, mit den Annahmen bezüglich meiner Idee zu starten, die am kritischsten für den Erfolg sind. Das heißt, wenn die gewählte Annahme so nicht eintritt, ist meine Idee nutzlos oder liefert nicht genügend Wert für den Nutzer.
Im Designbereich unterscheidet man zwischen Low-Fidelity Prototypen wie Mockups oder Storyboards bis hin zu High-Fidelity Typen wie klickbare Interfaces mit dem wichtigsten Grundfeature. Gerade Storyboards eignen sich um den Informationsfluss zu testen bzw. Abbruchskriterien für Nutzer zu identifizieren. Low-Fidelity Prototypen benutze ich verstärkt in der Konzeption von Produkten, jedoch nicht in Nutzertests.
High-Fidelity-Prototypen wie zum Beispiel eine Landingpage mit einem realem Kaufabschluss (die gewählte Zahlungsart der Nutzers wird jedoch nicht belastet) machen reale Aktionen und Reaktionen von Nutzern deutlich. Ist der Kunde bereit, einen in seiner Wahrnehmung realen Kaufabschluss zu tätigen, stehen die Chancen gut, dass die präsentierte Idee einen hohen Nutzen für den Nutzer hat.
Wenn dir klar bist, was du testen möchtest und mit welcher Art von Prototyp du den Test durchführen willst, bist du bereit für die Umsetzung.
Wenn man sich an die Umsetzung eines Prototypen macht, hilft es im Generellen sich zu überlegen, welche Westernkulisse man aufbauen möchte.
Die Metapher mit der Westernkulisse finde ich für das Vorgehen ziemlich passend (die Idee habe ich von hier), da genau dieser Ansatz darstellt, wie der Prototyp gedacht werden sollte. Die Hauptstraße ist für den Nutzer vollkommen detailliert dargestellt und real erlebbar. Sobald
eine der Nebenstraßen betreten wird, ist der Prototyp natürlich erkennbar.
Man sollte sich die Frage stellen, wie sieht meine Hauptstraße für den Nutzer aus. Welche Funktionen muss ich ausgestalten und welche kann ich andeuten, muss ich aber nicht wirklich funktionsfähig machen. Wenn es dir gelingt, dass der Nutzer die Hauptstraße in deinem Produkt, deiner realen Idee entlangläuft und nicht bemerkt, dass es sich um einen Prototyp handelt, wird er so reagieren, wie er auch auf das finale Produkt reagieren würde.
Mit diesen Einsichten kannst du dein Produkt erfolgreich iterieren und einen wirklichen Mehrwert für deine Nutzer schaffen.👏🏻👏🏻